Posted by kobold_spellweaver / No comments

2020-02-09

Hamilton (1)

Posted in Neuseeland, Travel

Wir merken, dass sich so langsam der Schlendrian einstellt beim Blog-Schreiben. mit der Sesshaftigkeit kommen wieder eine Menge Verpflichtungen, und soviel Zeug, dass man irgendwie nicht mehr dazu kommt zu Schreiben oder sich abends die Zeit nicht mehr nimmt, weil man zu faul ist. Es ist ne Menge passiert, auch wenn das meiste nicht mit schönen Orten und großartigen Unternehmungen zu tun hat. Aber der Reihe nach:

Am 28. Januar war „Einschulung“ oder auch „ Powhiri“ (Begrüßungszeremonie) an der Highschool. Die Neuntklässler hatten ihren ersten Tag und wurden begrüßt, zusammen mit allen anderen neuen Schülern und deren Eltern und Geschwistern. Wir mussten um 8.45 Uhr antreten, es war schönes Wetter, aber wegen dem Nebel in der Nacht mussten wir alle in die Turnhalle, weil der Boden zu nass zum Sitzen war. In der einen Turnhalle angekommen, wurde erklärt, wie man sich zu verhalten haben, wenn man nun die andere Turnhalle betritt, in der die Feier stattfinden soll: Die Mädels gehen durch nach hinten und setzen sich, die Jungs folgen und setzen sich ins andere Viertel der Halle, die Eltern gehen nach vorne zu den Sitzplätzen, die für Eltern gedacht sind und dabei müssen die Männer in die erste Reihe und die Frauen in die Reihen dahinter… hmm? Seltsam… Wir also alle mucksmäuschenstill in die nächste Halle. Vorher wurde übrigens noch schnell gefragt, ob nicht ein Vater noch eine Ansprache für die Feier halten wolle? Wird sowas nicht vorher geklärt?? Jedenfalls meldete sich beim Reingehen einer beim Zeremonienmeister und Kai war schon recht erleichtert, dass ihn keiner fragt. In der Halle war dann ein ganz seltsames Setting: Bis zur Hälfte der Halle saßen die Lehrer und jeweiligen Schülersprecher oder was auch immer die waren, auf Stühlen mit ihren strengen, ausdruckslosen Gesichtern in unsere Richtung. Dann waren ca. 10 m frei, dann kamen die Stuhlreihen der Eltern und Geschwister, die sich den anderen jetzt genau in Blickrichtung gegenüber setzen mussten. Nur die ersten beiden Reihen waren Stühle, danach kamen Bänke, die Schüler mussten dann hinter allen auf dem Boden sitzen. Kai musste bei den anderen Männern in der ersten Reihe Platz nehmen. Die Sportlehrer waren auf einer seitlichen, hohen Tribüne links hinter die anderen Lehrer geparkt. Ich saß mit den anderen Frauen und Kindern dahinter. Schon ein wenig steinzeitmäßig, aber die Maoris scheinen auch eher eine patriarchisch geprägte Kultur zu sein. Ca. 85 % der Zeremonie wurde nun auf Maori gehalten. Es gab Gesänge, bei denen aber alle mitmachen wie beim „Vater unser“, es gab Ansprachen, die auch in Maori gehalten wurden und auch der Vater, der sich bereit erklärt hatte zu sprechen, hat alles auf Maori gesagt. Dafür, dass sich diese Schule so sehr der Kultur verschrieben hat, gibt es aber überhaupt nicht so viele Maori an der Schule Es gibt viele unterschiedliche Kulturen und die hätten sicher auch gerne verstanden, worum es ging, aber das war wohl gegen die Sitten. Der Direktor der Schule begann seine Ansprache auch in Maori, wechselte dann aber zum Englischen und wir konnten wenigstens seinen Teil der Rede verstehen. Zusammen gesungen wurde nicht, erst sprachen die Lehrer ihren Teil und es wurde gesungen, dann sprach der Vater und auf unserer Seite wurde gesungen. Witzig wurde es dann am Ende der Zeremonie. Der Ober-Maori sagte sowas, dass nun alle Männer in der ersten Reihe aufstehen und die Männer in der ersten Reihe der Lehrer mit dem „Hongi“ begrüßen sollen. Damit konnte ich erst mal nicht viel anfangen und hoffte, das Kai schon mitkriegen wird, was zu tun ist. Dann standen die Männer aus der Eltern-Reihe schon auf und gingen in einer Schlange auf den ersten Mann in der Reihe der Lehrer zu. So: Dort presste dann der erste Mann der Elternreihe im traditionellen Maori-Gruß „Hongi“, dem „Nasenkuss“ ohne den kein „Powhiri“ komplett ist, seine Stirn und Nase an die des gegenüberstehenden Mannes der Lehrer/Schüler-Reihe. Und so musste nun jeder die ganze Reihe durchgehen. Kai hat also nun dem Direktor, dem Schülersprecher und dem Ober-Maori die Nasen geküsst und ist bestimmt damit offiziell Neuseeländer geworden. Die Schüler wurden übrigens nur kurz vom Direktor adressiert, sie wurden in der ganzen Zeit fast nicht beachtet und mussten auch keinen Nasenkuss zelebrieren. Mia und ich haben jedenfalls gut gelacht, als wir verstanden haben, was Kai gleich bevorsteht. Ich habe leider kein Foto gemacht, es war zu weit weg und irgendwie hat dort keiner Fotos gemacht. Aber man stelle es sich einfach mal bildlich vor 😀

Nach der Zeremonie konnten wir dann gehen und die Neunt- und Zehntklässler mussten ihren ersten Schultag starten. Mia hatte erst zwei Tage danach ihren ersten Tag und durfte nochmal zwei Tage rumhängen. Mit der Schuluniform hat aber alles gut geklappt und auch wenn Mia lieber ihr normales Zeug tragen würde, wird sie schon klar kommen mit der neuen Etikette.

Auf der Farm hatten wir noch einen Hunde-Zwischenfall: Tarja wollte Flick, dem Jagdhund unserer Gastgeber, das Licht auspusten, nachdem er versucht hat, von ihrem Trockenfutter zu probieren. Er teilt sein Essen großzügig mit ihr, aber sie verteidigt ihr Futter, das sie nicht mal mag, mit Klauen und Zähnen. Wir mussten durch die ganze Wohnung hinter ihr herlaufen und sie davon abhalten, ihm die das Fell über die Ohren zu ziehen. Dabei hat sie mir auch noch in die Hand gebissen. Als er endlich draussen und noch am Leben war, stand er erst einmal eine ganze Zeit zitternd neben Kai und Mia und hat sich beruhigen lassen. Heute morgen haben dann beide so getan, als hätte gestern nicht einer von ihnen beiden nur so grad überlebt. Merken: kein Futter stehen lassen, wenn Nachbars Waldi zu Besuch kommt.

Nein, das ist nicht die Szene, hier wird nur gespielt

Wir haben die Farm nun verlassen und sind in Hamilton in unsere feste Unterkunft für 5 Monate eingezogen. Ein Glück ist das Haus hier sehr neu und liegt in einem absoluten Neubaugebiet, wo noch nicht einmal alle Grundstücke verkauft sind. Wir haben zwar direkte Nachbarn, aber einen hohen Zaun und insgesamt ist das Gebiet super ruhig, weil einfach noch nicht viele Leute hier wohnen und es keinen Durchgangsverkehr gibt. Das Gebiet hier gleicht ein wenig dem „Moorblick“ in Weingarten. Hier ist nur der Mooranteil noch näher an uns dran, wenn wir mit Tarja um den Block gehen, kommen wir an einem kleinen Tümpelgebiet vorbei, in dem sehr hohes Schilf steht und zwischendrin freie Wasserflächen sind, abends kommen größere Gruppen von Enten oder anderen Vögeln dorthin. Drumherum gibt es noch eine Menge unerschlossenes Land und einen Kilometer weiter ist der Zoo, aber den sehen oder riechen wir nicht, weil er hinter einen Erhebung liegt.

Unsere Straße

Unsere australischen Nachbarn haben ja immer mal was abzugeben: Entweder haben sie ne Menge Rauch übrig und hier wird alles gelblich und stinkt, oder sie wollen Koalas in Pflege geben, nun ist es die Hitze. Eine Hitzewelle aus Australien wird in den nächsten Tagen auch hier Temperaturen bis zu 40 Grad bringen. Es gibt schon sehr lange keinen Regen mehr in gewissen Regionen und auch hier in Hamilton ist alles super trocken, auf unserem vertrockneten kurzen Rasen können wir nicht barfuss laufen, weil er so hart und pitzig ist, der Boden an manchen Stellen hat schon riesige Trockenheitsrisse. Für mindestens die nächsten 14 Tage soll sich das auch nicht ändern. Der Februar ist hier die heißeste Monat. Danach geht es dann erstmal bergab. Wir haben vom Vermieter aber jetzt einen Gartenschlauch bekommen und können den Rasen wässern.

Wenn man sich dann länger in einem voll ausgestatteten Haus niederlässt, fehlt natürlich immer was, das man gerne hätte. Daher haben wir erst einmal einen Einkaufstag gemacht, Outdoormöbel und einen Grill gekauft (nur ein kleiner), einen Schreibtisch und Schreibtischstuhl für Mia, ein neues Laptop für Mia und Tom weil sie das für Schule und Uni brauchen, eine Pfanne, die keine kaputte Beschichtung hat, Verlängerungskabel, Ventilator, einen Sodastream-Sprudler, weil wir keine Plastikflaschen mehr kaufen wollen und es absolut nirgendwo Sprudel in Glasflaschen gibt. Jedenfalls war alles eine ganz schöne Rennerei bei der Hitze. Dann kam noch die Thermomix-Dame und hat das Gerät gebracht (wie cool!) und hat mir noch eine Stunde was dazu erklärt. Jetzt sind wir gut ausgestattet und man kann sich demnächst zuhause fühlen.

Mia hatte jetzt schon eine Woche Schule und sie hat eine Menge Unterschiede zu dem Schulbetrieb in Deutschland festgestellt: Die Lehrer bleiben hier in festen Räumen, während alle Schüler nach jeder Stunde die Räume wechseln. Es gibt also ein riesiges Gerenne, bis alle dort sind, wo sie hin müssen. Dann benutzen fast 95 Prozent der Schüler Chromebooks, die hier in Elektrokaufhäusern auch im Back-to-School-Sale extra angeboten werden. Die Schulen (jedenfalls Mias) nutzen die Google-Produkte und auch die Cloud, im Unterricht wird nicht auf Papier geschrieben, die Hausaufgaben werden über das Programm „Schoology“ den Schülern eingestellt und sie haben sie bis zu einem bestimmten Zeitpunkt elektronisch beim Lehrer einzureichen. Auch hier erfolgt alles online. Handys dürfen an der Schule benutzt werden, manche tun das sogar im Unterricht. Jeder hat eine eigene E-Mail-Adresse über die er Nachrichten von der Schule erhält. Mia nimmt also hauptsächlich ihr Chromebook mit, viel anderes Zeug muss sie nicht schleppen. Der Schuldirektor schickt alle 1-2 Wochen einen Newsletter, in dem er Informationen zum Laufenden Schuljahr gibt, Neuigkeiten mitteilt oder an Termine erinnert. In seinem letzten Schreiben stand, das Mias jetzige Jahrgangsstufe nächstes Jahr einen Ausflug in die USA zur NASA machen wird. Wie cool ist das denn!?

In ihrer Klassenstufe sind viele ausländische Schüler, aus Indien, Brasilien, China, Vietnam, Taiwan.. und natürlich auch Deutschland. Die Klassenstufe ist sehr groß, wenn sich alle aus der elften Stufe in der Turnhalle versammeln, dann sind das fast soviele Schüler wie vorher an ihrer gesamten Schule. Viele der ausländischen Schüler sprechen sehr schlechtes Englisch und verstehen bei Unterhaltungen nicht viel. Das macht den Kontakt noch ein wenig schwierig, auch wenn durchaus gegenseitiges Interesse besteht. Es gibt aber auch eine Lehrerin und eine Sozialarbeiterin aus Deutschland und ein weiteres deutsches Mädchen aus München, die aber schon länger da ist. Mia kann also auch ein bisschen Deutsch reden.

Tom startet in ca. drei Wochen mit der Uni. Sein Student-Visum ist jetzt auch erteilt. Er sucht sich nun erst einmal einen Martial Arts Verein, bei dem er trainieren kann und wir überlegen, ob wir noch ein kleines, altes Auto kaufen, damit er unabhängiger ist, da es hier so gut wie keinen Busverkehr gibt. Und das Wohngebiet liegt ein wenig abseits und daher ist es auch nicht so leicht, wohin zu kommen. Mit dem Fahrrad bis zu Uni könnte sich bei den Straßen und dem Verkehr als schwierig herausstellen und Fahrräder haben wir auch noch keine. Vielleicht tut es aber auch ein Roller. Da aber auch Mia ab 16 hier das Autofahren lernen kann, üben wir mit ihr schon seit 2 Wochen das Autofahren. Auf dem Land war das auch kein Problem, hier in Hamilton wird das schon schwieriger, zumal wir ja auch noch keine offizielle Learners License beantragen können, weil sie noch kein 16 ist. Aber mit einem kleineren Auto wäre auch das Üben einfacher.

Hamilton mag zwar nicht die schönste Stadt in ganz Neuseeland sein, sie liegt auch nicht am Meer und oder in den Bergen, aber sie wächst uns so langsam ans Herz. Wir finden immer mehr schöne Stellen, wie zum Beispiel den Days Park

Blick von „unserer Bank“ im Day’s Park. Hier kann man morgens prima n Kaffee trinken, während der Hund spielen geht…

am Waikato-River, wo wir morgens, wenn wir Mia in der Schule abgeliefert haben, mit Tarja am Fluss entlang laufen können, wo sie mit Horden von Hunden rumspringen kann.

In der Innenstadt gibt es einen beschatteten Weg mit großen Bäumen am Fluss entlang und einen schön terassierten und bepflanzten öffentlichen Platz mit Blick auf den Fluss.

Uni-Campus

Der Campus der Waikato University ist ein Traum, auch wenn zur Zeit die ganze Wiese noch verbrannt ist.

Hamilton Gardens

Riesen-Tür im Alice-im-Wunderland-Garten

Und die Hamilton Gardens, die jeder kostenlos besuchen kann, haben eine Menge nach Epochen oder Ländern angelegter Themengärten, die mit ganz viel Liebe und Detailverliebtheit angelegt sind. Es gibt hier ca. 170.000 Einwohner und damit ist Hamilton die viertgrößte Stadt insgesamt in Neuseeland. Ca. 40.000 Studenten und 1.000 promovierte Wissenschaftler lernen und arbeiten hier, was der Waikato University und Wintec (Waikato Institute of Technology) zu verdanken ist. Es gibt 80 verschiedene Nationalitäten, 70 % der Einwohner haben Europäischen Wurzeln, 20 Prozent Maori, 10 % Asiatisch.

Innenstadt Hamilton

Auch wenn das Klima hier wegen der recht hohen Luftfeuchtigkeit (vergleichbar mit Städten wie Singapore) vielleicht nicht das angenehmste ist und die Sommertemperaturen auch bis auf 29 Grad steigen und es im Winter für diese Region recht kalt wird (bis zu -4 Grad), gibt es nur an ca. 120 Tagen im Jahr Regen. An den heißen Tagen im Sommer ist die Nacht aber trotzdem verhältnismäßig kalt. Hamilton gilt als eine der nebligsten Städte der Welt, auch wenn sich der Nebel bis mittags meist auflöst, aber da kann London wohl nicht mithalten.

Die wohl berühmteste Tochter Hamiltons ist Jacinda Ardern, die Premierministerin. Hamilton wird landesweit und von den eigenen Einwohnern liebevoll „The Tron“ genannt, da der noch rechte neue Slogan der Stadt „City of the Future“ ist und sie nun in Anlehnung an den futuristischen Sci-Fi-Film „Tron“ so genannt wird. So, das war’s zu Hamilton, als Quelle habe ich wieder Wikipedia benutzt. Hat mich selbst einiges erstaunt.

See y’all! Cheers!